Sonntag, 23. Februar 2014

Weiblichkeit heißt nicht sexy sein - Gastartikel

Ein Gastartikel von Liz 


Oder: Warum wir unserer sexuellen Vergegenständlichung ein Ende setzen müssen


Ein Thema, das mir in beiden meiner Berufe als Tätowiererin und auch als Makeup Artist immer wieder begegnet, ist die schreckliche Selbstwahrnehmung vieler absolut wundervoller Frauen. Ich höre so häufig Dinge wie „Ich möchte das Tattoo aber nicht am Oberarm haben, die sind zu schlabberig!“ oder „Kannst du mein Doppelkinn wegschminken?“. Wo ich, als fremde Person eine wahnsinnig schöne Frau sehe, sehen sie selbst offenbar nur Unzulänglichkeiten.
Und so begann dieser Artikel als Bericht über meine eigenen Erfahrungen mit Selbstzweifel und darüber, wie ich mich auf die Reise in meine Vergangenheit begab, um die Ursachen dafür zu finden. Mittlerweile möchte ich jedoch am meisten über das sprechen, was ich dabei gefunden habe. Eigentlich könnte man Bücher damit füllen, aber ich weiß eure Zeit ist kostbar und deshalb versuche ich mich so kurz zu fassen wie möglich...



Die meiste Zeit meines paar-und-zwanzig-jährigen Lebens habe ich meinen Körper oder Teile von ihm als zu groß, zu klein oder sonst wie unpassend empfunden, mir gewünscht ihn oder sie ändern zu können, oder versucht besagte ungeliebte Teile zu kaschieren.
Mal war ich überzeugt meine Oberschenkel seien zu umfangreich, meine Nase zu schief oder meine Augenringe zu deutlich. An anderen Tagen wünschte ich mir grüne statt braune Augen, oder, nach dem vierten Paar Schuhe das ich nicht in meiner Größe finden konnte, kleinere Füße.
Obwohl ich schon immer recht groß und schlank war und nicht sagen kann, dass ich mehr gehänselt wurde als andere Mädchen, oder es jemals so weit kam, dass ich Teile meines Körpers hasste, brauchte ich doch weit mehr als zwanzig Jahre um einen wohlwollenderen, annähernd zufriedenen Blick auf mein naturgegebenes Äußeres werfen zu können (und damit bin ich glaube ich sogar schon früh dran).
Erst später konnte ich mich also von der Tradition weiblichen Selbstzweifels und dem permanenten Drang sich vergleichen zu müssen, weit genug lösen um das erste Mal bewusst zu hinterfragen: „Warum eigentlich? Woher kommt dieses Gefühl mein völlig fuktionstüchtiger Körper sei dennoch irgendwie unzureichend? Brauche ich dieses Gefühl? Bin ich damit allein?“ und „Wie werde ich dieses idiotische Empfinden wieder los?“.

Ich beschloss meine Suche mit dem Naheligendsten zu beginnen: mir selbst.
Ich versuchte mich zu erinnern, wann das erste Mal diese nagende Unzufriedenheit in mein Leben getreten war und musste wirklich eine Weile kramen.
Als Kind war mir mein Äußeres völlig egal. Ich kombinierte fröhlich Batik-Schlaghosen mit oranger Plüschweste und tönte meine Haare lila, nicht weil das jemals Mode gewesen wäre, sondern einfach weil ich es cool fand. Brüste und Po waren noch Fremdworte und mein Gewicht war mir ähnlich wichtig wie Politik. Alles war gut.

Irgendwann zwischen Grundschule und Gymnasium allerdings, begann plötzlich die Wahrnehmung meiner Umwelt wichtiger zu werden. Ich begann Mädchenzeitschriften zu lesen, kaufte meine ersten Bikinis und begann mehr Wert auf meine geschlechtliche Identität zu legen, meine Nägel zu lackieren und ein spezifischeres Bild von, nicht direkt Schönheit, sondern eher „normalem Aussehen“, zu entwickeln.
Das fiel auch nicht sonderlich schwer, wurden einem doch in besagten Magazinen und auf RTL2, in Werbung und Co. zahllose Bilder von „normalen, coolen Kids“ aufgezeigt. Offenbar ging das auch meinen Altersgenossen so, denn zum ersten mal hörte ich Dinge wie „Bohnenstange“ oder Lästereien über meine Körperhaltung (ich habe eine Skoliose seit ich mich erinnern kann). Um genau zu sein, dürfte das etwa auch die Zeit gewesen sein, in der ich anfing Dinge zu denken wie: „ Melanie ist aber dick“, oder „Nadja trägt ja Sachen wie meine Oma“.
Der Gruppendruck ein bestimmtes Erscheinungsbild zu besitzen wuchs also ab dem Alter von etwa 10 Jahren (ich bin sicher, heutzutage beginnt es noch sehr viel früher und spreche jetzt schon mal meinem zukünftigen Kind mein Beileid aus).
Ich wusste es damals noch nicht, aber zu dieser Zeit begannen wohl meine ersten Kontakte mit dem sexualisierten Bild vom Objekt Frau (beziehungsweise Mädchen).

Je mehr ich negative Äußerungen über mich und andere hörte, egal ob von meinen Klassenkamaraden, Fremden oder auch meiner Familie – einmal sagte meine Großmutter zu mir, ich hätte so einen Tantenhintern, dass man ein Glas Wasser darauf abstellen könne – desto normaler und notwendiger schien es mir selber „Fehler“ im Aussehen meiner Mitmenschen zu finden.
„Another one bites the dust“ .
Nun war auch ich als junges, leicht zu beeindruckendes Mädchen in der endlosen Spirale von Bewerten und bewertet werden gefangen, die über die Zeit immer mehr von meinem Selbstvertrauen stahl.
Wir ihr euch sicher schon denken könnt, half auch das Einsetzen der Pubertät nicht gerade. Das Wachsen der sekundären Geschlechtsmerkmale und das Entstehen völlig neuer Stellen, die es – laut Medien – zu rasieren galt, beunruhigten mich auf vielfältige Weise. Mein Körper drohte mein, mittlerweile sehr festgelegtes, Ideal der 14 Jährigen zu überholen, indem er unaufhaltsam fraulich wurde.
Glücklicherweise war ich damit natürlich nicht allein. Meine Freundinnen empfohlen mir kurzerhand die „Bravo“, die nun -entgegen der „Mädchen“- versprach: „Es ist doch super Brüste zu haben! Jungs stehen drauf.“
Gott sei Dank! Ich war also doch normal.

Quelle

Und so wuchs mein Leitbild mit mir zu einer jungen Erwachsenen heran und schien sich doch immer weiter von mir zu entfernen. So viele vorgeschlagene Bhs und Wundercremes, beworbene Shampoos und trendige Klamotten ich mir auch kaufte, ich wurde kein Stück zufriedener mit mir.
Wenn meine Mutter Diäten machte, weil sie „zu dick“ war, schloss ich mich an denn ich dachte: „Das ist es anscheinend was Frauen tun und bei [beliebigen Star einfügen] hat es ja auch geholfen. Sie ist erfolgreich, schön und alles was Frauen sein sollten“. Allerdings habe ich schon immer gerne gegessen und hielt so etwas glücklicherweise nie lange durch.
Sport ist für mich auch nie etwas Spaßiges gewesen, und so machte ich nach jeder neuen Empfehlung nur kurz die Übungen die dünnere Schenkel versprachen und wandte mich anderen Dingen zu. Zum Beispiel dem Fernsehformat, in dem sie Fettabsaugungen vornahmen oder der aktuellen Sendung einer Model-Castingshow, die immerzu von Werbungen für Mc Donald's und Snickers unterbrochen wurde.

Weitere sechs Jahre später, als ich die Schule hinter mir gelassen hatte und mir aussuchen konnte mich nur noch mit positiven Leuten zu umgeben, begann ich langsam meinem jetzigen Freund seine Komplimente zu glauben und erhielt durch die bunte und überkritische Welt von Tumblr und seinen zahllosen „Anti bodyshaming posts“ die Chance damit zu beginnen, mich selbst als mein eigenes Schönheitsvorbild zu nehmen.
Es ist nicht ganz einfach Jahre von medialer Beeinflussung neu aufzurollen und im Kopf Platz für einen neuen, weitgefassten Begriff vom „Idealbild“ Frau zu machen, aber es hilft sich einiges immer wieder in Erinnerung zu rufen und sich gewisse Fragen zu stellen.

Die Bilder in Werbung, Zeitschriften und Fernsehen – kurz den Medien – müssen wir als das erkennen, was sie sind: ein Konstrukt, an dem unendlich viele Profis beteiligt sind. Eine illusorische Momentaufnahme ermöglicht durch Make-up Artisten, Beleuchter, Fotografen, Retoucheure und Frisöre und nicht als Abbild der Realität.
Ich habe neulich in einem Youtube-Clip ein Model sagen hören: „Selbst ich komme mit meinem Aussehen im wirklichen Leben nie an meine Fotos heran.“
In Wahrheit wissen wir alle, dass kein Mensch so aussehen kann wie Giselle Bündchen in der CK Werbung. Das Absurde ist aber, dass es uns leichter fällt zu versuchen uns selbst zu ändern als unser Bild von Perfektion.
Aus diesem Grund ist es heute auch kaum noch möglich auch nur ein Facebook Profilbild zu finden, das nicht durch Phototoshop gejagt wurde und Fitnessstudios und Beautyprodukte boomen.

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Aber nehmen wir uns doch mal einen Moment Zeit um das momentan gängige Ideal zu untersuchen.
Die ideale Frau ist weiß und europäisch aussehend, mit heller, straffer Haut und hellen Augen. Glänzende, perfekt fallende, lange Haare (meist dunkel) gehören ebenso dazu wie volle Lippen, große Augen mit dichten Wimpern und einer winzige Nase. Natürlich ist sie auch schlank. Extrem schlank, mit großen, selbstverständlich gepushten Brüsten, schmaler Taille und nicht zu ausladenden Hüften (Wer hat noch nie von den magischen Zahlen „90-60-90“ gehört und sich nicht gemessen). Außerdem soll sie keine Behaarung noch Körperfunktionen und strahlend weiße, gleichmäßige Zähne haben, ein schönes Hohlkreuz und einen knackigen Po. Sie trägt immer hochhackige Schuhe in Größe 39, ist absolut stilsicher, gepflegt und eine Granate im Bett (Was auch immer das heißen mag)...
Und?... Lächerlich nicht wahr? Schon allein die „optische Ethnie“ schließt doch mindestens 70% der Frauen auf der ganzen Welt aus! Dann noch die Augenfarbe und Maße und wir sind bei verbleibenden 3%. Mit den restliche Kriterien kommen wir auf 0%.
Und überhaupt: Wozu sollte ich unbedingt einen Hüftumfang von 90cm haben wollen? Hilft mir das meine Ziele zu erreichen? Ein Kind zu kriegen oder einen Job zu finden? Machen mich große Brüste intelligenter als kleine? Aber, richtig! Darum geht es ja gar nicht. Niemand glaubt das.
Warum also lassen wir dennoch zu, dass dieses Vorbild für Wertschätzung und gesellschaftliche Akzeptanz steht?



Warum lassen wir uns schon all die Jahre fremdbestimmen?
Warum denken wir beim Kleiderkauf wir seien zu dick, nicht das Teil schlecht geschnitten und von Designern mit illusorischen Maßstäben gemacht?
Weshalb lassen wir uns vorlügen, wir wären nur begehrenswert, wenn wir jenem absurden Ideal entsprächen? (Glaubt mir, Männer sind sehr viel weniger festgelegt, als uns glauben gemacht wird. Und selbst wenn, wieso soll der Inhalt unserer Leben darin bestehen Männern zu gefallen?...)
Warum akzeptieren wir das sexualisierte und völlig überzogene „Produkt Frau“ als normal, sogar erstrebenswert?
Wir lassen uns durch diese Absurdität frustrieren und uns in einen Wettbewerb zwängen und sind deswegen

 
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automatisch neidisch auf Menschen, die wir als „schöner“ als uns selbst empfinden.

Und am wichtigsten, was habe ich aus meiner Geschichte gelernt?

Die Antwort liegt in dem, mittlerweile über sehr lange Zeit etablierten, System der „Sexuellen Objektifizierung“, im Folgenden kurz SO genannt.
Weniger hochgestochen ausgedrückt bedeutet SO, eine Person als sexuelles Objekt darzustellen, oder zu behandeln, das den (sexuellen) Bedürfnissen eines anderen dient. 96% der SO-Bilder zeigen Frauen.
Aber alle Theorie ist ja bekanntlich staubig, deswegen identifizieren wir doch anhand einiger Beispiele die offensichtlichen Kriterien.
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In dieser Parfüm Werbung werden nur Teile eines Körpers gezeigt, die stellvertretend für die ganze Frau stehen.

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In diesem Glanzstück wird eine Frau sogar tatsächlich Teil eines Objektes.
 
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In dieser Kampagne von Victoria's Secret werden die Ladies als ein Austauschbares vieler Teile dargestellt. Ironischerweise nennen sie diese Serie „I love my body“, „Ich liebe meinen Körper“! Als dürfe man seinen Körper nur dann lieben, wenn er so aussieht.

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D&G deuten in diesem Bild die Idee vom Überschreiten persönlicher körperlicher Grenzen einer Frau ohne deren Zustimmung an. Irgendwie sieht das für mich sogar etwas nach Vergewaltigung aus.

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Hier suggeriert BMW in einer Werbung für Gebrauchtwagen, dass Ihre wichtigste Eigenschaft als Frau ihre sexuelle Verfügbarkeit ist. (Der Text besagt: „You know you're not her first. But do you really care?“ zu Deutsch: „Du weisst, dass du nicht ihr Erster bist. Aber interessiert dich das wirklich?“)

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Hier wirbt der Schuhhersteller „Red Tape“ mit Damen, die als käufliche Ware dargestellt werden. Natürlich kauft der Mann.

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Und zu guterletzt:
wird bei Levi's Jeans der Körper einer Frau zur Leinwand für eine Werbebotschaft.


Kein Wunder, dass wir uns nur als Summe unserer potentiell erotischen Teile sehen (und gesehen werden). Lippen, Pos, Brüste, sogar Knie und Schultern werden derartig sexualisiert, dass es verpönt ist öffentlich zu stillen, viele Frauen stillen unanständig finden (Brüste sind ja schließlich sexuelle Objekte) und lange Schuluniformen für Mädchen entworfen werden um „die Jungs nicht vom lernen abzuhalten“ (da wir ja perfiderweise schließlich in einer, mehr oder weniger, von christlichen Werten und somit auch in gewisser Hinsicht prüden Gesellschaft leben).

In den letzten zehn Jahren hat sich die Objektifizierung durch den Anstieg der uns täglich erreichenden Werbung um ein Vielfaches verschlimmert. Um im der nun zehnfach gestiegenen Zahl der Mitbewerber im Marketingfeld noch wahrgenommen zu werden, greifen die Werbeagenturen auf immer extremere Bilder zurück. Mehr Sex. Mehr Auffallen.
Und „Sex sells“ ist ja schließlich der Leitspruch, den jeder kennt. Aber ist es wirklich Sexieness, sprich Erotik, die Werbung erfolgreich macht? Bei einer Bevölkerung von mehr als 50% kaufkräftiger Frauen, von denen ein Großteil heterosexuell ist – warum ist dann nicht alles voll mit halbnackten Männern?

Die Wahrheit ist, dass etwas ganz anderes mit der Werbung vermittelt wird: Frauen sind sexuelle Objekte.
Das heißt per Definition von Subjekt und Objekt: das passive, untergeordnete Objekt dient dem Agressor, dem agierenden Subjekt als Hilfsmittel zur Erfüllung seiner Bedürfnisse.
Somit wird den Männern permanent eingeredet sie seien sexuelle Subjekte. In Kontrollposition. Es soll ihnen ein Gefühl von Macht vermitteln wenn sie Bilder von Frauen als eben dieses untergeordnete, passive Objekt und nicht als Mensch sehen. (Wahrscheinlich einer der Gründe warum es ein soziales Tabu ist über weibliche Körperfunktionen zu sprechen und sich damit gewissermaßen zu entsexualisieren und als (Lust)Objekt zu disqualifizieren.)
Frauen hingegen wird durch die Werbung verkauft, dass der Weg Wertschätzung zu erlangen die Entwicklung zum idealen sexualisierten Objekt ist (siehe 90-60-90 etc.). Und an Exemplaren mangelt es ja, wie gesagt, nicht da sowohl Männer- als auch Frauenzeitschriften voll davon sind.
Deutlich zeigt sich diese Rollenverteilung auch Beispielsweise in der Bewerbung eines karierten Hemds im Onlineshop von „American Apparel“:

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Oder bei dem unschuldigen Versuch passende Faschingskostüme für Sie und Ihn zu erwerben. Möchte Mann als Ghostbuster gehen, geht Frau als sexy Ghostbuster. Möchten beide Matrose sein, geht Frau als sexy Matrosin. Sogar wenn es sein Wunsch sein sollte als Zombiearzt zu gehen, lässt sich für Sie mit Leichtigkeit ein sexy Zombie Krankenschwester Kostüm auftreiben!





Die ständige Konfrontation mit diesem System von degradierenden Richtlinien für Frauen führt früher oder später zu „Selbstobjektifizierung“. Wir sehen unseren Körper als Objekt für die Bedürfnisse anderer und behandeln ihn auch so. Wir alle tun es, variierend natürlich nach Alter, Ethnie und so weiter und so fort, doch wir ALLE TUN ES!

Natürlich bleibt das nicht ohne Folgen. Wir werden anfälliger für Depressionen, schämen uns für unseren Körper, machen unnötige Diäten oder entwickeln vielleicht sogar Essstörungen. Wir geraten in die Gewohnheit dauernd unseren Körper aus einer Art unbeteiligten Position zu überwachen. Sprich: wir denken an unsere Pose, ob unsere Haare richtig liegen, wie das Licht auf gewisse Stellen unseres Körpers fällt, wer uns ansieht und wer nicht...die Liste ist endlos und wir Frauen tun es alle 30 Sekunden! Dadurch können auch sogenannte „sexuelle Dysfunktionen“ entstehen. Wenn wir im Bett eine Betrachter- oder Zuschauerrolle einnehmen und dauernd überlegen „Hängt hier ein Röllchen raus?“ und „Wie sieht mein Bein in diesem Winkel aus?“ statt tatsächlich zu genießen und zu erleben ist es klar, dass wir keinen Spaß dabei empfinden. „Sex sells“ macht also guten Sex kaputt. Ironisch, nicht?!
Nicht zu vergessen ist, dass die dauernde Überwachung unserer Außenwirkung enorme mentale Kapazität in Anspruch nimmt, die wir viel besser zum Lösen von Mathetests oder wirkliche wichtiger Weltprobleme verwenden könnten. Außerdem führt „Selbstobjektifizierung“ zu verringertem Selbstwertgefühl und einem verminderten Gefühl eine Stimme zu haben, oder wichtig zu sein (ob persönlich,politisch oder professionell).
Und nicht zuletzt verringert es gravierend unsere Fähigkeit mit anderen Frauen klar zu kommen, da wir uns dem Konkurrenzkampf hingeben. Durch die Suggestion unser Wert definiere sich durch die Menge an männlicher Aufmerksamkeit, die ein limitiertes Gut ist, konkurrieren wir mit anderen Frauen um unser eigenes Selbstwertgefühl.
Wir gehen zu einer Party und wissen sofort, wo wir auf der Liste der „schönen Mädchen“ eingestuft werden und wenn eine andere Frau dafür geschätzt wird eine sexualisiertes Objekt zu sein ( also dem „Ideal“ nahe zu sein), dann gibt uns das ein schlechtes Gefühl.
Wir wurden in einen „sexy Käfig“ gesteckt, der uns auf jeder Ebene unseres Lebens einschränkt und vielleicht sogar schadet und niemand redet darüber! Natürlich nicht, denn all das ist ja heutzutage völlig normal.

Was also können wir gegen dieses mächtige System tun, das uns schon so lang eine so klare und so lächerlich ungerechte Rolle zuweist?
Als Frauen sollten wir zunächst damit aufhören schädliche Medien zu konsumieren. Laut einer Studie sinkt unser Selbstwertgefühl beim betrachten einer Modezeitschrift innerhalb der ersten drei Minuten! Das kann nicht Sinn der Sache sein! Kauft nichts was euch ein schlechtes Gefühl gibt und Frauen SO darstellt! Unterstützen wir nicht die negativen Dinge, die wir ändern wollen!
Man würde auch nicht gegen Mc Donalds protestieren, indem man nen Burger kauft und dem Verkäufer voller Selbstgefälligkeit ins Gesicht schreit, dass man ihn nicht essen werde, weil er das Ende einer Kette von Menschenverachtung ist.
Außerdem müssen wir dem Wettbewerb mit unseren Leidensgenossinen ein Ende setzen. Wenn wir sie als „schöner empfinden“ oder sie mehr Aufmerksamkeit bekommen müssen wir verstehen, dass sie Teil des Systems sind, indem die Regeln gegen uns geschaffen wurden. Sie sind ein Symptom, nicht das Problem. Wir sollten ehrliche Komplimente verteilen, statt böser Blicke. Es wird uns auch selbst gut tun aufzuhören Aufmerksamkeit für unseren Körper zu suchen.
Nicht zu vergessen ist, dass wir die Männer in unserem Leben einweihen sollten, damit sie zu hilfreichen Verbündeten werden können und verstehen was in unseren Köpfen vorgeht.
Damit sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, Frauen nicht nach äußerlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, sondern danach, was sie tun und sagen und damit sie ihre privilegierte Position nutzen können um sexuelle Objektifizierung anzusprechen.
Wir alle können die Medien, die sich an der Vergegenständlichung beteiligen boykottieren, oder die Herausgeber kontaktieren. Oder unsere eigenen Medien machen. Schreiben, Fotografieren, Malen, Darstellen, Vielfältigkeit aufzeigen und Kritisieren. Das ist nicht so ein aussichtsloser Kampf, wie es im ersten Moment den Anschein hat.
Ein gutes Beispiel ist ein 14 jähriges Mädchen, dass kürzlich über die Organisation „Change.org“ über 84tausend Unterschriften sammelte, nach New York fuhr und erwirkte, dass das bekannte „Seventeen Magazine“ (so etwas wie die deutsche „Mädchen“) einwilligte ihre Modelle nicht mehr zu Photoshoppen.


Wir sollten in einer Gesellschaft leben, in der junge Mädchen nicht unter der Prämisse erzogen werden ihr Körper sei ein Projekt, das ständig verbessert werden muss, sondern dass sie genau wie Jungs, ihren Körper als wundervolles Werkzeug sehen, das sie nutzen um die Situationen ihrer Umwelt zu meistern. In einer Gesellschaft, in der wir uns nicht dauernd damit befassen müssen, wie wir wirken, sondern unsere geistigen Fähigkeiten völlig darauf verwenden können zu genießen, wichtige Probleme zu lösen oder einfach glücklich zu sein. Eine Gesellschaft, in der wir wieder erkennen können, dass wir alle gleichwertige, schöne Lebewesen mit empfindlichem Bewusstsein und ausgeprägten Bedürfnissen sind und uns zu keiner Zeit für ein Stück von uns schämen müssen. 


Autor: Liz 
 

4 Kommentare:

  1. Hey Liz, Toller Artikel - hab ihn verschlungen. Ich hab als Fotograf und Photoshop-Verweigerer genau das gleiche Problem. Fotos machen fühlt sich für viele meiner weiblichen Kunden wie ein Gang zum Zahnarzt an und ich brauche immer etwas Zeit und viel viel Überzeugungskraft bis sich jemand vor der Kamera wohl fühlt, wenn überhaupt. Könntest du noch die Quelle zu der Studie nachreichen die du im Artikel erwähnt hast? Das wär klasse, vielen Dank! :)

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  2. Interessant geschriebene Momentaufnahme und eigenwilliges Statement, die bewertende Gemeinschaft in genau dieser Handlungsweise in Frage zu stellen. Als Fortführung Deiner Gedanken möchte ich noch folgenden Aspekt erwähnen:

    Ist es nicht sinnvoller, als das Kinde aus dem Brunnen zu fischen und zu trocknen, den Sturz zu verhindern. Damit meine ich als Elternteil und aktiver Schulkindbegleiter die Tatsache zu verändern, dass, genau wie Du schriebst, schon zu beginn der Erziehung der jungen Menschen die Weichen so gestellt werden, damit diese optische und objektbehaftete Sichtweise auf uns Menschen einem Wandel unterzogen wird. Denn in dem Bereich des Kindergartens und der Grundschule werden von der Mehrzahl der Eltern genau diese Bilder in die Seelen der Kinder gebrannt, die später im Laufe der Leben zu der von Dir zu recht angeprangerten Sichtweise führt.

    zum Mädchen: "Du siehst aber hübsch aus!"
    zum Jungen: "Das hast du aber toll gemacht!"

    Wie sollen die jungen und Mädchen aus diesen jahrelang geprägten Rollenverständnissen herausfinden?

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  3. Hallöchen, danke für deinen Kommentar!

    Du bringst es auf den Punkt: das Thema ist unheimlich komplex. Man könnte sich in den Kleinigkeiten verlieren und verzweifeln. Deswegen ist es vor allem wichtig das Grundproblem zu begreifen, das sich ja nur in den schillernsten Varianten ausdrückt.
    Ich find auch dass es wenig bringt pauschal auf 'die Medien' oder 'die Männer' zu schimpfen.
    Letztendlich sind vor allem wir Frauen es, die diese Bilder weiter tragen, uns davon definieren und bewerten lassen. Der oft so angeprangerte Hauptübeltäter 'die Medien', die Magazine, Serienformate haben eine recht hohe Frauenquote. Wir treiben die Maschinerie selbst an. Wir geben unsere Bilder von unserem Geschlecht, das ein so unbewusst manipuliertes ist, an unsere Töchter und Söhne weiter.
    Deswegen ist es, wie du sagt, unheimlich wichtig der Schlange den Kopf ab zu schneiden, damit sie verenden kann.
    Aber solange unbewusst immer noch männliche Prinzipien höher gelten als weibliche, so lange moderner Feminismus propagiert wird, der aus Frauen zweite Männer machen will, so lange wir selbst uns mit unserer Weiblichkeit nicht aussöhnen, so lange wir uns selbst nicht bedingungslos lieben, haben diese gebrannten Bilder, wie du sie so schön nennst, eben Grund genug Narben zu schlagen.

    Ich denke so tief das Urproblem auch verwurzelt ist, so einfach ist die Lösung. Selbstliebe. Denn das schlägt auf lange Sicht die größten Wellen.
    Aber nur weil etwas verständes mäßig einfach zu begreifen ist, heißt es nicht dass es einfach gefühlt werden kann. Selbsttest: los lieb dich selbst! Ganz egal wie du aussiehst, was du beruflich tust, wie klug du bist, wie dich andere finden, was andere über dich sagen. Funktioniert? Ne oder? Das ist eben ein Weg. Aber ich denke das Bewusstwerden ist der erste wichtige Schritt.
    Irgendwann kommt das Gefühl hinter her.

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  4. Einfach toll. Danke für diesen wunderbaren Text.

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