Ein Gastartikel von Liz
Oder: Warum wir unserer sexuellen Vergegenständlichung ein Ende setzen müssen
Oder: Warum wir unserer sexuellen Vergegenständlichung ein Ende setzen müssen

Und so
begann dieser Artikel als Bericht über meine eigenen Erfahrungen mit
Selbstzweifel und darüber, wie ich mich auf die Reise in meine
Vergangenheit begab, um die Ursachen dafür zu finden. Mittlerweile
möchte ich jedoch am meisten über das sprechen, was ich dabei
gefunden habe. Eigentlich könnte man Bücher damit füllen, aber ich
weiß eure Zeit ist kostbar und deshalb versuche ich mich so kurz zu
fassen wie möglich...
Die meiste
Zeit meines paar-und-zwanzig-jährigen Lebens habe ich meinen Körper
oder Teile von ihm als zu groß, zu klein oder sonst wie unpassend
empfunden, mir gewünscht ihn oder sie ändern zu können, oder
versucht besagte ungeliebte Teile zu kaschieren.
Mal war
ich überzeugt meine Oberschenkel seien zu umfangreich, meine Nase zu
schief oder meine Augenringe zu deutlich. An anderen Tagen wünschte
ich mir grüne statt braune Augen, oder, nach dem vierten Paar Schuhe
das ich nicht in meiner Größe finden konnte, kleinere Füße.
Obwohl ich
schon immer recht groß und schlank war und nicht sagen kann, dass
ich mehr gehänselt wurde als andere Mädchen, oder es jemals so weit
kam, dass ich Teile meines Körpers hasste, brauchte ich doch weit
mehr als zwanzig Jahre um einen wohlwollenderen, annähernd
zufriedenen Blick auf mein naturgegebenes Äußeres werfen zu können
(und damit bin ich glaube ich sogar schon früh dran).
Erst
später konnte ich mich also von der Tradition weiblichen
Selbstzweifels und dem permanenten Drang sich vergleichen zu müssen,
weit genug lösen um das erste Mal bewusst zu hinterfragen: „Warum
eigentlich? Woher kommt dieses Gefühl mein völlig fuktionstüchtiger
Körper sei dennoch irgendwie unzureichend? Brauche ich dieses
Gefühl? Bin ich damit allein?“ und „Wie werde ich dieses
idiotische Empfinden wieder los?“.
Ich
beschloss meine Suche mit dem Naheligendsten zu beginnen: mir
selbst.
Ich
versuchte mich zu erinnern, wann das erste Mal diese nagende
Unzufriedenheit in mein Leben getreten war und musste wirklich eine
Weile kramen.
Als Kind
war mir mein Äußeres völlig egal. Ich kombinierte fröhlich
Batik-Schlaghosen mit oranger Plüschweste und tönte meine Haare
lila, nicht weil das jemals Mode gewesen wäre, sondern einfach weil
ich es cool fand. Brüste und Po waren noch Fremdworte und mein
Gewicht war mir ähnlich wichtig wie Politik. Alles war gut.
Irgendwann
zwischen Grundschule und Gymnasium allerdings, begann plötzlich die
Wahrnehmung meiner Umwelt wichtiger zu werden. Ich begann
Mädchenzeitschriften zu lesen, kaufte meine ersten Bikinis und
begann mehr Wert auf meine geschlechtliche Identität zu legen, meine
Nägel zu lackieren und ein spezifischeres Bild von, nicht direkt
Schönheit, sondern eher „normalem Aussehen“, zu entwickeln.
Das fiel
auch nicht sonderlich schwer, wurden einem doch in besagten Magazinen
und auf RTL2, in Werbung und Co.
zahllose Bilder von
„normalen, coolen Kids“ aufgezeigt. Offenbar ging das auch meinen
Altersgenossen so, denn zum ersten mal hörte ich Dinge
wie „Bohnenstange“ oder Lästereien über meine Körperhaltung
(ich habe eine Skoliose seit
ich mich erinnern kann). Um genau zu sein, dürfte das etwa auch die
Zeit gewesen sein, in der ich anfing Dinge zu denken wie: „ Melanie
ist aber dick“, oder „Nadja trägt ja Sachen wie meine Oma“.
Der
Gruppendruck ein bestimmtes Erscheinungsbild zu besitzen wuchs also
ab dem Alter von etwa 10 Jahren (ich bin sicher, heutzutage beginnt
es noch sehr viel früher und spreche jetzt schon mal meinem
zukünftigen Kind mein Beileid aus).
Ich wusste
es damals noch nicht, aber zu dieser Zeit begannen wohl meine ersten
Kontakte mit dem sexualisierten Bild vom Objekt Frau (beziehungsweise
Mädchen).
Je mehr
ich negative Äußerungen über mich
und andere hörte, egal ob
von meinen Klassenkamaraden, Fremden oder auch meiner Familie
– einmal sagte meine Großmutter zu mir, ich
hätte so einen Tantenhintern, dass man ein Glas Wasser darauf
abstellen könne – desto normaler und notwendiger schien es mir
selber „Fehler“ im Aussehen meiner Mitmenschen zu finden.
„Another
one bites the dust“ .
Nun war
auch ich als junges, leicht zu beeindruckendes Mädchen in der
endlosen Spirale von Bewerten und bewertet werden gefangen, die über
die Zeit immer mehr von meinem Selbstvertrauen stahl.
Wir ihr
euch sicher schon denken könnt, half auch das Einsetzen der Pubertät
nicht gerade. Das Wachsen der
sekundären Geschlechtsmerkmale
und das Entstehen völlig
neuer Stellen, die es – laut Medien – zu rasieren galt,
beunruhigten mich auf vielfältige Weise. Mein Körper drohte mein,
mittlerweile sehr festgelegtes, Ideal der 14 Jährigen zu überholen,
indem er unaufhaltsam fraulich wurde.
Glücklicherweise
war ich damit natürlich nicht allein. Meine Freundinnen empfohlen
mir kurzerhand die „Bravo“, die nun -entgegen der „Mädchen“-
versprach: „Es ist doch super Brüste zu haben! Jungs stehen
drauf.“
Gott sei
Dank! Ich war also doch normal.
![]() |
Quelle |
Und so
wuchs mein Leitbild mit mir zu einer jungen Erwachsenen heran und
schien sich doch immer weiter von mir zu entfernen. So viele
vorgeschlagene Bhs und Wundercremes, beworbene Shampoos und trendige
Klamotten ich mir auch kaufte, ich wurde kein Stück zufriedener mit
mir.
Wenn meine
Mutter Diäten machte, weil sie „zu dick“ war, schloss ich mich
an denn ich dachte: „Das ist es anscheinend was Frauen tun und bei
[beliebigen Star einfügen] hat es ja auch geholfen. Sie ist
erfolgreich, schön und alles was Frauen sein sollten“. Allerdings
habe ich schon immer gerne gegessen und hielt so etwas
glücklicherweise nie lange durch.
Sport ist
für mich auch nie etwas Spaßiges gewesen, und so machte ich nach
jeder neuen Empfehlung nur kurz die Übungen die dünnere Schenkel
versprachen und wandte mich anderen Dingen zu. Zum Beispiel dem
Fernsehformat, in dem sie Fettabsaugungen vornahmen oder der
aktuellen Sendung einer Model-Castingshow, die immerzu von Werbungen
für Mc Donald's und Snickers unterbrochen wurde.
Weitere
sechs Jahre später, als ich die Schule hinter mir gelassen hatte und
mir aussuchen konnte mich nur noch mit positiven Leuten zu umgeben,
begann ich langsam meinem jetzigen Freund seine Komplimente zu
glauben und erhielt durch die bunte und überkritische Welt von
Tumblr und seinen zahllosen „Anti bodyshaming posts“ die Chance
damit zu beginnen, mich selbst als mein eigenes Schönheitsvorbild zu
nehmen.
Es ist
nicht ganz einfach Jahre von medialer Beeinflussung neu aufzurollen
und im Kopf Platz für einen neuen, weitgefassten Begriff vom
„Idealbild“ Frau zu machen, aber es hilft sich einiges immer
wieder in Erinnerung zu rufen und sich gewisse Fragen zu stellen.
Die Bilder
in Werbung, Zeitschriften und Fernsehen – kurz den Medien –
müssen wir als das erkennen,
was sie sind: ein
Konstrukt, an dem unendlich viele Profis beteiligt sind. Eine
illusorische Momentaufnahme ermöglicht durch
Make-up
Artisten, Beleuchter, Fotografen, Retoucheure und Frisöre und nicht
als Abbild der Realität.
Ich
habe neulich in einem Youtube-Clip
ein Model sagen hören: „Selbst ich komme mit meinem Aussehen im
wirklichen Leben nie an meine Fotos heran.“
In
Wahrheit wissen wir alle, dass kein Mensch so aussehen kann wie
Giselle Bündchen in der CK Werbung. Das Absurde ist aber, dass es
uns leichter fällt zu versuchen uns selbst zu ändern als unser Bild
von Perfektion.
Aus diesem
Grund ist es heute auch kaum noch möglich auch nur ein Facebook
Profilbild zu finden, das nicht durch Phototoshop gejagt wurde und
Fitnessstudios und Beautyprodukte boomen.
![]() |
Quelle |
Aber
nehmen wir uns doch mal einen Moment Zeit um das momentan gängige
Ideal zu untersuchen.
Die
ideale
Frau ist weiß und europäisch aussehend, mit heller, straffer Haut
und hellen Augen. Glänzende, perfekt fallende, lange Haare (meist
dunkel) gehören ebenso dazu wie volle Lippen, große Augen mit
dichten Wimpern und einer
winzige Nase. Natürlich ist sie auch schlank. Extrem schlank, mit
großen, selbstverständlich gepushten Brüsten, schmaler Taille und
nicht
zu ausladenden Hüften (Wer hat noch nie von den magischen Zahlen
„90-60-90“ gehört und sich nicht gemessen). Außerdem soll sie
keine
Behaarung noch Körperfunktionen und strahlend weiße, gleichmäßige
Zähne haben, ein
schönes Hohlkreuz und einen knackigen Po. Sie trägt immer
hochhackige Schuhe in Größe 39, ist absolut stilsicher, gepflegt
und eine Granate im Bett (Was auch immer das heißen mag)...
Und?...
Lächerlich nicht wahr? Schon allein die „optische Ethnie“
schließt doch mindestens 70% der Frauen auf der ganzen Welt aus!
Dann noch die Augenfarbe und Maße und wir sind bei verbleibenden 3%.
Mit den restliche Kriterien kommen wir auf 0%.
Und
überhaupt: Wozu sollte ich unbedingt einen Hüftumfang von 90cm
haben wollen? Hilft mir das meine Ziele zu erreichen? Ein Kind zu
kriegen oder einen Job zu finden? Machen mich große Brüste
intelligenter als kleine?
Aber, richtig! Darum geht es ja gar nicht. Niemand glaubt das.
Warum also
lassen wir dennoch zu, dass dieses Vorbild für Wertschätzung und
gesellschaftliche Akzeptanz steht?
Warum
lassen wir uns schon all die Jahre fremdbestimmen?
Warum
denken wir beim Kleiderkauf wir seien zu dick, nicht das Teil
schlecht geschnitten und von Designern mit illusorischen Maßstäben
gemacht?
Weshalb
lassen wir uns vorlügen, wir wären nur begehrenswert, wenn wir
jenem absurden Ideal entsprächen? (Glaubt mir, Männer sind sehr
viel weniger festgelegt, als uns glauben gemacht wird. Und selbst
wenn, wieso soll der
Inhalt unserer Leben darin bestehen Männern zu gefallen?...)
Warum
akzeptieren wir das sexualisierte und völlig überzogene „Produkt
Frau“ als normal, sogar erstrebenswert?
Wir
lassen uns durch diese Absurdität frustrieren und uns in einen
Wettbewerb zwängen und sind deswegen
automatisch neidisch auf
Menschen, die wir als „schöner“ als uns selbst empfinden.
Und am
wichtigsten, was habe ich aus meiner Geschichte gelernt?
Die
Antwort liegt in
dem, mittlerweile über sehr lange Zeit etablierten, System der
„Sexuellen Objektifizierung“, im Folgenden kurz SO genannt.
Weniger
hochgestochen ausgedrückt bedeutet SO, eine Person als sexuelles
Objekt darzustellen, oder zu behandeln, das den (sexuellen)
Bedürfnissen eines anderen
dient. 96% der SO-Bilder zeigen Frauen.
Aber alle
Theorie ist ja bekanntlich staubig, deswegen identifizieren wir doch
anhand einiger Beispiele die offensichtlichen Kriterien.
![]() |
Quelle |
In
dieser Parfüm Werbung werden nur Teile eines Körpers gezeigt, die
stellvertretend für die ganze Frau stehen.
![]() |
Quelle |
In
diesem Glanzstück wird eine Frau sogar tatsächlich Teil eines
Objektes.
![]() |
Quelle |
In
dieser Kampagne von Victoria's Secret werden die Ladies als ein
Austauschbares vieler Teile dargestellt. Ironischerweise nennen sie
diese Serie „I love my body“, „Ich liebe meinen Körper“! Als dürfe man seinen Körper nur dann lieben, wenn er so aussieht.
![]() |
Quelle |
D&G
deuten in diesem Bild die Idee vom Überschreiten
persönlicher körperlicher Grenzen einer Frau ohne deren Zustimmung
an. Irgendwie sieht das für mich sogar etwas nach Vergewaltigung
aus.
![]() |
Quelle |
Hier
suggeriert BMW in einer Werbung für Gebrauchtwagen, dass Ihre
wichtigste Eigenschaft als Frau ihre sexuelle Verfügbarkeit ist.
(Der Text besagt: „You know you're not her first. But do you really
care?“ zu Deutsch: „Du weisst, dass du nicht ihr Erster bist.
Aber interessiert dich das wirklich?“)
![]() |
Quelle
|
Hier
wirbt der Schuhhersteller „Red Tape“ mit Damen, die als käufliche
Ware dargestellt werden. Natürlich kauft der Mann.
![]() |
Quelle |
Und
zu guterletzt:
wird
bei Levi's Jeans der Körper einer Frau zur Leinwand für eine
Werbebotschaft.
Kein
Wunder, dass wir uns nur als Summe unserer potentiell
erotischen Teile sehen (und gesehen werden). Lippen, Pos, Brüste,
sogar Knie und Schultern werden derartig sexualisiert, dass es
verpönt ist öffentlich zu stillen, viele
Frauen stillen unanständig finden (Brüste sind ja schließlich
sexuelle Objekte)
und lange Schuluniformen für Mädchen entworfen werden um „die
Jungs nicht vom lernen abzuhalten“ (da wir ja perfiderweise
schließlich in einer, mehr oder weniger, von christlichen Werten und
somit auch in gewisser Hinsicht prüden Gesellschaft leben).
In
den letzten zehn
Jahren hat sich die Objektifizierung durch den Anstieg der uns
täglich erreichenden Werbung um ein Vielfaches verschlimmert. Um im
der nun zehnfach gestiegenen Zahl der Mitbewerber im Marketingfeld
noch wahrgenommen zu werden, greifen die Werbeagenturen auf immer
extremere Bilder zurück. Mehr Sex. Mehr Auffallen.
Und „Sex
sells“ ist ja schließlich der Leitspruch, den jeder kennt. Aber
ist es wirklich Sexieness, sprich Erotik, die Werbung erfolgreich
macht? Bei einer Bevölkerung von mehr als 50% kaufkräftiger
Frauen, von denen ein Großteil heterosexuell ist – warum ist dann
nicht alles voll mit halbnackten Männern?
Die
Wahrheit ist, dass etwas
ganz anderes mit der Werbung vermittelt wird: Frauen sind sexuelle
Objekte.
Das
heißt per Definition
von Subjekt und Objekt: das
passive, untergeordnete Objekt dient dem Agressor, dem agierenden
Subjekt als Hilfsmittel zur Erfüllung seiner Bedürfnisse.
Somit
wird den Männern permanent eingeredet sie seien sexuelle Subjekte.
In Kontrollposition. Es soll ihnen ein Gefühl von Macht vermitteln
wenn sie Bilder von Frauen als eben dieses untergeordnete, passive
Objekt und nicht als Mensch sehen. (Wahrscheinlich einer der Gründe
warum es ein soziales Tabu ist über weibliche Körperfunktionen zu
sprechen und sich damit gewissermaßen zu entsexualisieren und als
(Lust)Objekt zu disqualifizieren.)
Frauen
hingegen wird durch die Werbung verkauft, dass der Weg Wertschätzung
zu erlangen die Entwicklung zum idealen sexualisierten Objekt ist
(siehe 90-60-90 etc.). Und an Exemplaren mangelt es ja, wie gesagt,
nicht da sowohl Männer- als auch Frauenzeitschriften voll davon
sind.
Deutlich
zeigt sich diese Rollenverteilung auch Beispielsweise in der
Bewerbung eines karierten Hemds im Onlineshop von „American
Apparel“:
![]() |
Quelle
|
Oder
bei dem unschuldigen Versuch passende Faschingskostüme für Sie und
Ihn zu erwerben. Möchte Mann als Ghostbuster gehen, geht Frau als
sexy Ghostbuster. Möchten beide
Matrose sein, geht Frau als sexy Matrosin. Sogar wenn es sein Wunsch
sein sollte als Zombiearzt zu gehen, lässt sich für Sie mit
Leichtigkeit ein sexy Zombie Krankenschwester Kostüm auftreiben!
Die
ständige Konfrontation mit diesem System von degradierenden
Richtlinien für Frauen führt früher oder später zu
„Selbstobjektifizierung“. Wir sehen unseren Körper als Objekt
für die Bedürfnisse anderer
und behandeln ihn auch so. Wir alle tun es, variierend natürlich
nach Alter, Ethnie und so weiter und so fort, doch wir ALLE TUN ES!
Natürlich
bleibt das
nicht ohne Folgen. Wir werden anfälliger für Depressionen, schämen
uns für unseren Körper, machen unnötige Diäten oder entwickeln
vielleicht sogar Essstörungen.
Wir geraten in die Gewohnheit dauernd unseren Körper aus einer Art
unbeteiligten Position zu überwachen. Sprich: wir
denken an unsere Pose, ob unsere Haare richtig liegen, wie das Licht
auf gewisse Stellen unseres Körpers fällt, wer uns ansieht und wer
nicht...die Liste ist endlos und wir Frauen tun es alle 30 Sekunden!
Dadurch können auch sogenannte „sexuelle Dysfunktionen“
entstehen. Wenn wir im Bett eine Betrachter- oder Zuschauerrolle
einnehmen und dauernd überlegen „Hängt hier ein Röllchen raus?“
und „Wie sieht mein Bein in diesem Winkel aus?“ statt tatsächlich
zu genießen und zu erleben ist es klar, dass wir keinen Spaß dabei
empfinden. „Sex sells“ macht also guten Sex kaputt. Ironisch,
nicht?!
Nicht
zu vergessen ist, dass die dauernde Überwachung unserer Außenwirkung
enorme mentale Kapazität in Anspruch nimmt, die wir viel besser zum
Lösen von Mathetests oder wirkliche
wichtiger Weltprobleme
verwenden könnten. Außerdem führt „Selbstobjektifizierung“ zu
verringertem Selbstwertgefühl und einem verminderten Gefühl eine
Stimme zu haben, oder wichtig zu sein (ob persönlich,politisch oder
professionell).
Und
nicht zuletzt verringert es gravierend unsere Fähigkeit mit anderen
Frauen klar zu kommen, da wir uns dem Konkurrenzkampf hingeben.
Durch die Suggestion unser Wert definiere sich durch die Menge an
männlicher Aufmerksamkeit, die ein limitiertes Gut ist, konkurrieren
wir mit anderen Frauen um unser eigenes Selbstwertgefühl.
Wir
gehen zu einer Party und wissen sofort, wo wir auf der Liste der
„schönen Mädchen“ eingestuft werden und wenn eine andere Frau
dafür geschätzt wird eine sexualisiertes Objekt zu sein ( also dem
„Ideal“ nahe zu sein), dann gibt uns das ein schlechtes Gefühl.
Wir wurden
in einen „sexy Käfig“ gesteckt, der uns auf jeder Ebene unseres
Lebens einschränkt und vielleicht sogar schadet und niemand redet
darüber! Natürlich nicht, denn all das ist ja heutzutage völlig
normal.
Was
also können wir gegen dieses mächtige System tun,
das uns schon so lang eine so klare und so lächerlich ungerechte
Rolle zuweist?
Als
Frauen sollten wir zunächst damit aufhören schädliche Medien zu
konsumieren. Laut einer Studie sinkt unser Selbstwertgefühl beim
betrachten einer Modezeitschrift innerhalb der ersten drei
Minuten! Das kann nicht Sinn der Sache sein! Kauft nichts was euch
ein schlechtes Gefühl gibt und Frauen SO darstellt! Unterstützen
wir nicht die negativen Dinge, die wir ändern wollen!
Man
würde auch nicht gegen Mc Donalds protestieren, indem man nen Burger
kauft und dem Verkäufer voller Selbstgefälligkeit ins Gesicht
schreit, dass man ihn nicht essen werde, weil er das Ende einer Kette
von Menschenverachtung ist.
Außerdem
müssen wir dem Wettbewerb mit unseren Leidensgenossinen ein Ende
setzen. Wenn wir sie als „schöner empfinden“ oder sie mehr
Aufmerksamkeit bekommen müssen wir verstehen, dass sie Teil des
Systems sind, indem die Regeln gegen uns geschaffen wurden. Sie sind
ein Symptom, nicht das Problem. Wir sollten ehrliche Komplimente
verteilen, statt böser Blicke. Es wird uns auch selbst gut tun
aufzuhören Aufmerksamkeit für unseren Körper zu suchen.
Nicht
zu vergessen ist, dass wir die Männer in unserem Leben einweihen
sollten, damit sie zu hilfreichen Verbündeten werden können und
verstehen was in unseren Köpfen vorgeht.
Damit
sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, Frauen nicht nach äußerlichen
Gesichtspunkten zu beurteilen,
sondern danach, was sie tun und sagen und damit sie ihre
privilegierte
Position nutzen können um sexuelle Objektifizierung anzusprechen.
Wir
alle können die Medien, die sich an der Vergegenständlichung
beteiligen
boykottieren,
oder die Herausgeber kontaktieren. Oder unsere eigenen Medien
machen. Schreiben, Fotografieren, Malen, Darstellen, Vielfältigkeit
aufzeigen und Kritisieren. Das ist nicht so ein aussichtsloser Kampf,
wie es im ersten Moment den Anschein hat.
Ein gutes Beispiel ist ein 14 jähriges Mädchen, dass kürzlich über die
Organisation „Change.org“ über 84tausend Unterschriften
sammelte, nach New York fuhr und erwirkte, dass das bekannte
„Seventeen Magazine“ (so etwas wie die deutsche „Mädchen“)
einwilligte ihre Modelle nicht mehr zu Photoshoppen.
Wir
sollten in einer Gesellschaft leben, in der junge Mädchen nicht
unter der Prämisse erzogen werden ihr Körper sei ein Projekt, das
ständig verbessert werden muss, sondern dass sie genau wie Jungs,
ihren Körper als wundervolles Werkzeug sehen, das
sie nutzen um die Situationen ihrer Umwelt zu meistern. In einer
Gesellschaft, in der wir uns nicht dauernd damit befassen müssen,
wie wir wirken, sondern unsere geistigen Fähigkeiten völlig darauf
verwenden können zu genießen, wichtige Probleme zu lösen oder
einfach glücklich zu sein. Eine Gesellschaft, in der wir wieder
erkennen können, dass wir alle gleichwertige, schöne Lebewesen mit
empfindlichem Bewusstsein und ausgeprägten Bedürfnissen sind und
uns zu keiner Zeit für ein Stück von uns schämen müssen.
Autor: Liz
Autor: Liz
Hey Liz, Toller Artikel - hab ihn verschlungen. Ich hab als Fotograf und Photoshop-Verweigerer genau das gleiche Problem. Fotos machen fühlt sich für viele meiner weiblichen Kunden wie ein Gang zum Zahnarzt an und ich brauche immer etwas Zeit und viel viel Überzeugungskraft bis sich jemand vor der Kamera wohl fühlt, wenn überhaupt. Könntest du noch die Quelle zu der Studie nachreichen die du im Artikel erwähnt hast? Das wär klasse, vielen Dank! :)
AntwortenLöschenInteressant geschriebene Momentaufnahme und eigenwilliges Statement, die bewertende Gemeinschaft in genau dieser Handlungsweise in Frage zu stellen. Als Fortführung Deiner Gedanken möchte ich noch folgenden Aspekt erwähnen:
AntwortenLöschenIst es nicht sinnvoller, als das Kinde aus dem Brunnen zu fischen und zu trocknen, den Sturz zu verhindern. Damit meine ich als Elternteil und aktiver Schulkindbegleiter die Tatsache zu verändern, dass, genau wie Du schriebst, schon zu beginn der Erziehung der jungen Menschen die Weichen so gestellt werden, damit diese optische und objektbehaftete Sichtweise auf uns Menschen einem Wandel unterzogen wird. Denn in dem Bereich des Kindergartens und der Grundschule werden von der Mehrzahl der Eltern genau diese Bilder in die Seelen der Kinder gebrannt, die später im Laufe der Leben zu der von Dir zu recht angeprangerten Sichtweise führt.
zum Mädchen: "Du siehst aber hübsch aus!"
zum Jungen: "Das hast du aber toll gemacht!"
Wie sollen die jungen und Mädchen aus diesen jahrelang geprägten Rollenverständnissen herausfinden?
Hallöchen, danke für deinen Kommentar!
AntwortenLöschenDu bringst es auf den Punkt: das Thema ist unheimlich komplex. Man könnte sich in den Kleinigkeiten verlieren und verzweifeln. Deswegen ist es vor allem wichtig das Grundproblem zu begreifen, das sich ja nur in den schillernsten Varianten ausdrückt.
Ich find auch dass es wenig bringt pauschal auf 'die Medien' oder 'die Männer' zu schimpfen.
Letztendlich sind vor allem wir Frauen es, die diese Bilder weiter tragen, uns davon definieren und bewerten lassen. Der oft so angeprangerte Hauptübeltäter 'die Medien', die Magazine, Serienformate haben eine recht hohe Frauenquote. Wir treiben die Maschinerie selbst an. Wir geben unsere Bilder von unserem Geschlecht, das ein so unbewusst manipuliertes ist, an unsere Töchter und Söhne weiter.
Deswegen ist es, wie du sagt, unheimlich wichtig der Schlange den Kopf ab zu schneiden, damit sie verenden kann.
Aber solange unbewusst immer noch männliche Prinzipien höher gelten als weibliche, so lange moderner Feminismus propagiert wird, der aus Frauen zweite Männer machen will, so lange wir selbst uns mit unserer Weiblichkeit nicht aussöhnen, so lange wir uns selbst nicht bedingungslos lieben, haben diese gebrannten Bilder, wie du sie so schön nennst, eben Grund genug Narben zu schlagen.
Ich denke so tief das Urproblem auch verwurzelt ist, so einfach ist die Lösung. Selbstliebe. Denn das schlägt auf lange Sicht die größten Wellen.
Aber nur weil etwas verständes mäßig einfach zu begreifen ist, heißt es nicht dass es einfach gefühlt werden kann. Selbsttest: los lieb dich selbst! Ganz egal wie du aussiehst, was du beruflich tust, wie klug du bist, wie dich andere finden, was andere über dich sagen. Funktioniert? Ne oder? Das ist eben ein Weg. Aber ich denke das Bewusstwerden ist der erste wichtige Schritt.
Irgendwann kommt das Gefühl hinter her.
Einfach toll. Danke für diesen wunderbaren Text.
AntwortenLöschen